Story

Die kleine Stadt Sarnico am Lago d´Iseo in der italienischen Lombardei ist Ende der 50er Jahren die Heimat der „Avionautica Rio“. Und Sarnico ist schon damals eines der Zentren des italienischen Bootsbaus. Werften wie Rio, Riva, Arcangeli, Bellini, Pinin und etliche andere eröffnen dort ihre Produktionen.

Der Weg der „Rio“-Werft beginnt mit Dr. Luigi Scarani, Vater dreier Söhne, der eine Ziegelfabrik in der Nähe von Sarnico betreibt. Mit dem Eintritt von Sohn Carlo beginnt der Segelflugzeugbau.

Die drei Söhne bauen schließlich gemeinsam für das italienische Militär und die private Nutzung. In dem damaligen Firmennamen „Avionautica Rio“ steckt das Wort Flugzeug.

Im Gegensatz zu vielen anderen Werften befindet sich das Firmengelände nicht unmittelbar am Wasser. Im Laufe der Zeit geht die Auftragslage der Flugzeugsparte zurück, dafür steigt sie beim Bootsbau.

So entscheiden sich die Brüder Anfang der sechziger Jahre, den elitären Flugzeugbau zugunsten des populäreren Bootsbaus aufzugeben.

Aber die Fähigkeiten und das Know-how der Handwerker werden genutzt und versorgen die neue Werft mit einer hohen handwerklichen Qualität: Die Erfahrungen der Holzverarbeitung aus der „Avionautica Rio“ kommen dem Bootsbau zugute. Die Holzboote von Rio werden in kleinen Stückzahlen in Handarbeit mit sehr viel Liebe zum Detail gefertigt.

Groß ist die Emotion bei der Vorstellung des ersten Mahagoni-Bootes:
Der Rio Espera - 6,90 Meter lang mit 235 bzw. 330 PS.

Alle von Chris Craft und Rolls-Royce angetriebenen Rio-Boote stechen ebenfalls heraus – auch mit ihren suggestiven Namen: Colorado, Real, Bonito, Espera und Parana - wie südamerikanische Seen und Flüsse, der großen Leidenschaft des Gründers.

Dem Zeitgeist folgend werden luxuriöse hochwertige Runabouts aus Mahagoni-Holz gebaut. Mahagoni gilt schon seit dem 16. Jahrhundert als das wertvollste Holz der Welt. Bereits damals war das Naturholz bei spanischen Schiffsbauern sehr begehrt – auch bei Christoph Kolombus.

Rio-Boote sind elegant und schnell. Ihre Ausstattung ist äußerst umfangreich und von Beginn an wesentlich luxuriöser als die Schiffe anderer Hersteller.
Die Riva-Werft, die am gleichen See in Sarnico liegt, stellt zeitgleich ihre Boote im Serienbau her, während Rio strikt bei einzelner Handarbeit bleibt. Einer der Höhepunkt dieser Ära ist ein Kooperationsvertrag mit der englischen Firma Rolls-Royce für die sogenannte Rolls-Rio.

Bei Rio werden sämtliche Rumpfteile (Seiten, Boden und Spiegel) in einem Stück aus mehrfach verleimten Mahagoni gefertigt und dann an den Spanten angebracht. Das erhöht die Festigkeit. Zudem benutzt man noch eine Lage Holz mehr als die Wettbewerber. Dadurch sind die Seitenwände und Böden noch dicker und haltbarer. Riva und die anderen Hersteller gehen einen anderen Weg: Sämtliche Holzteile werden in fremden Manufakturen vorgefertigt, angeliefert und dann zusammengebaut.

Dieser Unterschied in der Bauweise ist noch heute an den vielen runden „Holzhütchen“, unter denen sich die nötigen Schrauben befinden, bei den Wettbewerbern zu sehen. Diese gibt es bei den Rio-Booten nicht, da die gesamten Bordwände und Böden eben aus einem Stück sind. Das Rumpfmaterial ist bei den Rio´s um ca. 5-7 mm dicker, somit widerstandsfähiger. In der Rumpf-Form unterscheidet man sich nur am Heck: Riva-Boote haben bis auf die Super Florida immer eine runde Form, Rio`s sind hinten eckig.

Rio
Riva

Auch in der Ausstattung differenzieren Rio und Riva. Ein Beispiel:
In der Schlupfkabine einer Rio Colorado befindet sich die Innenbeleuchtung hinter mit dem Rio-Symbol geäzten Glasscheiben, während die Lampen des Wettbewerbs keine besondere Optik haben.

Dagegen sind beispielweise die Formen und Verkleidungen der Seitenfächer widerum bei beiden Marken gleich.

Die Colorado mit ihrer tiefliegenden Sonnenliegefläche entsteht ein Jahr vor der Riva Aquarama, deren Design bis auf das unterschiedliche Heck quasi identisch ist.

Das kleinste Schiff, das von Rio in der Ära der hölzernen Rümpfe angeboten wird, ist die Parana 590. Ein Chris-Craft V-8 oder Crusader V-8 Triebwerk liefert dem Schiff die Power und es ist auf jede denkbare Art und Weise luxuriös ausgestattet.

Noch eleganter sind dann die Colorado-Modelle. Diese haben schon serienmäßig jedes mögliche Ausstattungsmerkmal. Diese komplette Ausstattung wird der Standard für Rio-Schiffe über die Jahre.

Die Colorado und die Espera sind die beliebtesten Modelle, die von Rio hergestellt werden.

Der Bau der Rio´s mit hölzernen Rümpfen, wird bis 1975 fortgesetzt, bevor die drei Brüder dazu übergehen, die Rümpfe ausschließlich aus Fiberglas herzustellen.

Riva hingegen baut bis 1996 Boote aus Holz. In Folge dieser unterschiedlichen Produktions-Dauer, aber auch auf Grund der differenzierten Produktionsweise stellt Rio insgesamt knapp 500 Boote aus Mahagoni-Holz her, Riva knapp 4.000 Stück.

Die letzlich ganz exakte Zahl der gebauten Rio-Boote aus Mahagoni ist final nicht bekannt, da viele Unterlagen in der Werft über die Jahrzehnte verloren gegangen sind. Anhand der bis heute recherchierten Boots-Nummern und Baujahre wird eine Differenz gering sein.

Obwohl alle Werften am Lago d´Iseo sich natürlich beobachten und auch voneinander abschauen, sind beispielsweise die Gründer von Riva, Carlo Riva, und von Rio, Dr. Luigi Scarani, damals befreundet. Beide leben heute nicht mehr.

Dr. Luigi Scarani
Carlo Riva

Ingenieure formen Rümpfe, Architekten und Designer studieren Innenräume, Motor-Spezialisten bringen Boote in Bewegung. Aber Boote brauchen viel mehr, um sich auf dem Wasser zu behaupten: Eine Seele.